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schönes, erfreuliches
und bemerkenswertes


Der meistgelesene Kulturblog der Hauptstadt – mit Kurzkritiken zu Theater, Tanz, Performance, Oper, Kunst, Kino und Literatur: bemerkenswert, sehenswert, hörenswert.

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Walküre

© Bernd Uhlig

Ein Wolf, ein Flügel, Wotan in Unterhosen, Flüchtlinge als stummer Chor und das Ganze in einem Bühnenraum voll gepfercht mit alten Koffern. Dazwischen Nebel, schwebende Sieglinden, Saallicht, Hojotoho. Viel Trubel und wenig Zusammenhang hat das Regieteam um Stefan Herheim da auf die Bühne gestellt. Nach 30 Jahren ein brandneuer Ring (Premiere 27.9.2020), bei dem man zum Verständnis einen Beipackzettel braucht: und auch der macht aus den einzelnen Effekten leider kein Erzähltheater.

In diesem »Kofferraum« tummeln sich große Stimmen, die große Freude machen: Nina Stemme als Brünnhilde, Annika Schlicht als Fricka und Lise Davidsen als Sieglinde. Aber Stefan Herheim schafft es nicht diesen Frauenfiguren neuen Raum zu verschaffen oder den Walküren zu neuen Höhen zu verhelfen. Sie müssen sich mit Untoten herumschlagen und sich vergewaltigen lassen.

Der Göttervater Wotan, gesungen von John Lundgren, schwebt bei Zeiten über allem und auch hier scheint die Regie den zarten Momenten im Weg zu stehen. Das Lebewohl weiß Lundgren beileibe so zu singen, dass man schmilzt – das hat er in Bayreuth und auf den großen Opernbühnen bewiesen. Es wäre als fehlte nicht nur an dieser Stelle die Ruhe und der Raum für die Musik und die Worte.

Ein neuer Ring, ein neues Ding. Große Erwartungen. Bravos und Buhs im tosenden Schlussapplaus.

Deutsche Oper Berlin
So 4. Oktober 2020 um 16 h
Do 8. Oktober 2020 um 17 h
So 11. Oktober 2020 um 16 h
Fr 13. November 2020 um 17 h
So 15. November 2020 um 16 h

2.10.2020

Judith/Herzog Blaubarts Burg

© Wilfried Hösl
Das Dunkle. Sie bringt es ans Licht: Judith, die Ermittlerin, und Katie Mitchell, die Regisseurin. Das dunkle Geheimnis des Herzog Blaubart, der Mann, durch dessen Unterbewusstsein das Psychodrama führt. Ein Mann, der durch stetiges Bitten Judiths Tür um Türe öffnet. Herausgekommen ist ein fabelhafter Doppelabend mit Musik von Béla Bartók. Bei dem geht es weit ruhiger zu auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper, als man das von Katie Mitchell kennt: Die Film-Ouvertüre entsteht nicht live, sie wurde vorproduziert. Auch der zweite Teil ohne Kameras; eine naturalistische Märchenerzählung, albtraumhaft mit melodramatischem Ende. Mitchell schafft jedoch etwas von ihrer typischen Erzählweise formell umzusetzen: Die Szenen ziehen praktisch am Publikum vorbei. Sieben Räume mit den sieben Türen bewegen sich von rechts nach links als würde man einen Filmstreifen gegen das Licht halten. Damit bringt die Regisseurin den Symbolismus der Blaubart Sage kongenial mit dem Impressionistischen von Béla Bartóks Musik zusammen: Meine Erinnerungen sehen mich. Der Abend ist ein Sieg der Frauen, auch wenn es zu Beginn noch nicht so aussieht. Am Pult leuchtet Oksana Lyniv, Nina Stemme als Judith, die Blaubart führt ohne dass er das merkt. Damit gelingt Judith die Opfer-Täter-Umkehr, die Mitchell inszeniert. Der Abend erzählt aber auch von Paardynamik, Liebe als Ware und der Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen. Die Bayerische Staatsoper hat mit Nina Stemme (Judith) und John Lundgren (Blaubart) zwei Weltstars für Bartóks einzige Oper gewonnen. Die beiden singen oft zusammen und bringen, neben den stimmlichen Dimensionen, besonders eine darstellerische Tiefe in die Handlung, die sie zu einer eine Idealbesetzung macht. Die Münchner goutierten das mit langem Applaus. Bayerische Staatsoper München So 9. Februar 2020 um 18 h Do 13 Februar 2020 um 19 h So 16. Februar 2020 um 18 h Sa 27. Juni 2020 um 18 h Mo 29. Juni 2020 um 19 h

Don Giovanni

© Brinkhoff/Mögenburg
Die Schichten von Wolfgang Amadeus Mozarts Komposition gehen direkt vom ersten Ton an unter die Haut – und das ist Adam Fischers musikalischer Leitung zu verdanken. Don Giovanni gehört zu Adam Fischers »Herzstücken«. Das sieht man seinem Dirigat an. Die drei Stunden Oper absolviert er hinreißend feinsinnig, ganz ohne Partitur. Der Dirigent wird Teil der Inszenierung, für die Zuschauer sichbar, indem Adam Fischer aus dem Orchestergraben herausragt. Die Hamburgische Staatsoper bringt die Wiener Fassungen von Mozarts Oper Don Giovanni zur Aufführung und komplettiert damit ihre Mozart/Da Ponte-Trilogie. Selten sieht man eine so durchgängige Ensembleleistung hochkarätiger Stimmen, die sich mit Spielfreude in die drehenden Bühnenbauten hineinwerfen. Kyle Ketelsen liefert mit seinem Leporello ein absolut sängerisches und spielerisches Glanzlicht. Mit seiner Figurenführung schafft es Jan Bosse Mozarts musikalische Schichten differenziert aufscheinen zu lassen. Andrè Schuens Don Giovanni offenbart eine tiefe Sehnsucht nach Liebe. Allein seine funkenschlagende Begierde hält ihn davon ab zur wahren Liebe vorzudringen. Trotz teurer Feste und Champagner Arie bleibt Don Giovanni einsam bis zum Ende der Oper, seiner Höllenfahrt. Große Oper. Sehenswert. Staatsoper Hamburg Mi 23. Oktober 2019 um 19 h Sa 26. Oktober 2019 um 19 h Di 29. Oktober 2019 um 19 h So 3. November 2019 um 19 h Mi 6. November 2019 um 19 h Sa 9. November 2019 um 19 h

Isadora Duncan

@ Camille Blake
Jérôme Bel setzt seine persönliche Enzyklopädie des Tanzes fort. Diesmal mit einer Toten: Isadora Duncan (1877–1927). Die Autobiografie der Tanzikone, die den Tanz revolutioniert, hatte Jérôme Bel so inspiriert, dass er ein Stück über die unabhängige Frau machen wollte. Er fand die Tänzerin Elizabeth Schwartz, die von einer der Adoptivtöchter, der Isadorables, die überlieferten Solotänze weitergegeben bekam. Der Abend besticht mit seiner klaren Struktur. Die Zuschauer sehen jede Choreografie viermal: beginnend mit der Musik allein (von Schubert, Chopin und Skrjabin), dann Klavier und Tanz, dann die Bewegung mit Erläuterungen und ohne Musik und noch mal der Tanz mit Musik. Diese analytische Sezierung der Arbeit von Isadora Duncan lässt eine unerwartete Spannung entstehen und lässt einen aufmerksam werden für die filigranen Details, die eng mit der Biografie von Isadora Duncan verwoben sind. Ein gelungenes Stück Konzeptkunst für die Bühne, eine Lecture Performance zum Mitmachen. Tanz im August, Deutsches Theater Berlin So 18.8.2019 um 19 h Paris, Centre Pompidou, Festival Automne 3.–5. October 3 to October 5 November 28 to November 30 Aubervilliers (France), La Commune centre dramatique national d'Aubervilliers 28.-30. November 2019

Grüß mir den Mond!

© Katharina John
Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys führen uns mit Ihrem neuen Programm durch die Nacht – es beginnt mit Wolfgang Borcherts Laternentraum: »Wenn ich tot bin, möchte ich immerhin so eine Laterne sein …«. Ulrich Tukur spricht so vertraut aus dem Bühnendunkel, als säße er neben einem auf der Bettkante. Und dann dreht das Quartett auf: mit Spielfreude, Eleganz, Witz, Swingmusik und deutschen Chansons aus den 1920 und 30er Jahren. Die Klassiker »Moonlight Serenade«, »Moonglow«, »Night and Day« unterbricht Ulrich Tukur mit abstrusen Geschichten über seine alten Freunde Cole Porter, Benny Goodman, Glenn Miller und Neil Amstrong (ja, den auch). In der zweiten Hälfte tauschen sie die tadellosen Anzüge gegen Pyjamas ein: Ulrich Mayer, Günter Märtens, und Kalle Mews geben zusammen mit dem Schauspieler Ulrich Tukur die Klang- und Schwingungserzeuger, dazwischen Gedichte und Geschichten, die sich bisweilen in mondähnliche Höhen versteigen. Es kommen allerlei Beerdigungen und Caravanen vor und so lernen wir, dass »Dream a little dream of me« schon 1931 geschrieben wurde oder die BVG in »Mit der letzten Straßenbahn« von 1943 vorkommt. An Musikalität und Unterhaltung ist die Reise zum Mond nicht zu überbieten. So schwingt und klingt der Abend aus: tosender Applaus. An Schlaf ist nicht zu denken. Theater am Kurfürstendamm, Berlin So 18.2.18 um 19 h Mo 19.2.18 um 20 h Scharoun Theater, Wolfsburg Do 22. Februar 2018 um 19:30 h Schauspielhaus Bochum Fr 23.2.18 Bochum, Schauspielhaus Weitere Termine: 24.2.18 Leverkusen, Erholungshaus 25.2.18 Leverkusen, Erholungshaus 27.2.18 Oberhausen, Ebertbad 28.2.18 Oberhausen, Ebertbad 01.3.18 Dortmund, Konzerthaus 02.3.18 Bielefeld, Oetkerhalle 03.3.18 Hannover, Theater am Aegi 04.3.18 Hannover, Theater am Aegi 05.3. Nürnberg, Theater 07.3.18 München, Prinzregententheater 09.3.18 Freiburg, Theater 10.3.18 Friedrichshafen,Graf Zeppelin Haus 11.3.18 Heidelberg, Historische Stadthalle 12.3.18 Frankfurt, Alte Oper 13.3.18 Stuttgart, Theaterhaus 15.3.18 Karlsruhe, Tollhaus 16.3.18 Erfurt, Alte Oper 17.3.18 Dresden, Kulturpalast 18.3.18 Leipzig, Gewandhaus 19.3.18 Hamburg, Laeiszhalle 20.3.18 Hamburg, Laeiszhalle

Lohengrin

© Marcus Lieberenz
Klaus Florian Vogt ist Lohengrin. Und seiner nicht einordenbaren gleichsam überirdischen Stimme kann man stundenlang zuhören. Er kommt als Gottgesandter, gestehst Elsa nach zwei Minuten seine Liebe, und stellt dazu gleich eine klare Bedingung: »Nie sollst du mich befragen …« – und damit eines der berühmtesten Leitmotive der Oper vor. Der mythische Retter mit Engelsflügeln findet in John Lundgren, als Friedrich von Telramund, einen starken Gegenspieler, dem stimmlich wie darstellerisch ein vielschichtiger und packender Zugriff gelingt. Es lohnt also die Besetzungsliste zu studieren. Kasper Holten will die politische Dimension des Stückes erzählen: Der Gerichtskampf ist auch ein Kampf um die Fürstenwürde von Brabant. Dafür hat er einige klare Bilder gefunden. Eine sehenswerte Inszenierung, die immer wieder mit Starbesetzungen aufwartet. Deutsche Oper Berlin So 5. Februar 2017 um 16 h

Salome

© Monika Rittershaus
Nicht gerade eine schöne Geschichte, die Oscar Wilde dramatisierte und Richard Strauss vertonte. Beide fasziniert von der christlich-mythologische Frauengestalt, die fortan weibliche Grausamkeit und erotische Schönheit zugleich verkörperte. Claus Guth findet eine schlüssige Inszenierung für Strauss’ rauschhafte Musik und die scheinbar unerklärliche Grausamkeit der Salome. Aus dem Tanz der sieben Schleier macht er eine Rückschau in die Kindheit der Hauptfigur, so dass am Ende sieben Salomes über die Bühne tanzen. Der 90 Minuten Abend ist auch stimmlich hochkarätig besetzt: Allison Oakes dramatisiert kongenial diese Zerrissenheit der Figur, der Gewalt angetan wurde und die am Ende Gewalt antut. Ein hörenswerter Abend. Deutsche Oper Berlin Fr 13.01.2017 um 20 h

(Golden Hours) As you like it

© Anne Van Aerschot
»How can moments go so slow?«, singt Brian Eno und dazu bewegen sich elf Tänzer in Zeitlupe. Man merkt wie erstaunlich Enos Nummer »Golden Hours« zu Anne Teresa De Keersmaekers Stil passt. Nach dem Intro entwickelt sich »(Golden Hours) As you like it« dann zu einem Handlungsballett des 18. Jahrhundert, mit Anleihen aus dem Ausdruckstanz. Performt wird Shakespeares Komödie »Wie es euch gefällt« (1599), sporadisch begleitet von Brian Enos Album »Another Green World« (1975) und eingeblendeten Dialogzitaten. Die elf fabelhaften Tänzer illustrieren ausdrucksvoll und körperlich als sprächen sie die Dialoge innerlich. Für die Liebestollheit von Shakespeares Komödie interessiert sich De Keersmaeker aber nicht. Mit formaler Strenge gestaltet sie das Spiel um Sein und Schein, Liebe und Geschlecht, Identität und Freiheit. Ironische Noten sind spärlich. Und so bleibt Shakespeares Komödie eine kühle Interpretation – trotz der Verve und des Esprits der jungen Rosas Tanzcompany. cultuurcentrum Hasselt, Belgien Di 12. April 2016 STUK Kunstencentrum Leuven, Belgien Fr 15. und Sa 16. April 2016 La Filature Mulhouse, Fankreich Di 19. April 2016 Opéra de Lille, Frankreich Di 26. und Mi 27. April 2016 Ruhrtriennale, Bochum Do 22 bis Sa 24. September 2016 weitere Termine

Lohengrin

© Mats Bäcker
Eine Feder fällt vom Himmel: Elsa entgegen. Nicola Raab inszeniert den sagenhaften Stoff des Lohengrin atmosphärisch dicht und beweist einmal mehr, dass sie zu den Geschichtenerzählern unter den Regisseure gehört. Im kongenialen Zusammenspiel von Story-Telling, Bühnenbild, Kostüm- und Licht Design entsteht ein klarer und vielschichtiger Opernabend, ein Abend der großen Bilder – und leisen Töne. Gemeinsam mit Lohengrin, hofft man, könnte man die Begrenztheit des Menschseins überwinden: mit der großen Liebe. Die fein ausgearbeiteten Charaktere der Figuren legen die transzendenten Aspekte der Geschichte frei: überragend singend und spielend Steven Humes als Heinrich. Unter der musikalischen Leitung von Alexander Vedernikov erlebt man höchsten Hörgenuss. Ein großer Wurf. Oper Kopenhagen Do 28. Januar 2016 So 31. Januar 2016 So 7. Februar 2016 Fr 12. Februar 2016 Di 1. März 2016 So 6. März 2016 Mi 9. März 2016 So 13. März 2016

Peter Pan

© Annette Boutellier
Staunen, Kreischen, Tanzen. Das Publikum sitzt nicht still. Egal ob Groß oder Klein. Der Junge, der nicht erwachsen werden will, entzückt nicht nur die Kinder. In der kongenialen Zusammenarbeit von Regisseur Michael Lippold und den Musikern von »The bianca Story« gelingt eine abenteuerlustige Inszenierung. Die Schauspieler machen einen phantastischen Job und es ist eine Freude ihnen zuzusehen. So entsteht schon nach wenigen Szenen eine Sogkraft, die in der Flugszene ihren Höhepunkt findet. Hier wird das Weihnachtsmärchen zum sphärenhaften Rockkonzert und man möchte, dass sie ewig weiter fliegen. »The bianca Story« liefert eine Menge Input mit den hitverdächtigen Songs, eigens entwickelt und komponiert für dieses Stück. Anders als in der Vorlage von J.M. Barrie, lässt Lippold das Ende offen, und doch singt die Band: Hope there is Hope … Also schnell auf nach Bern. Konzert Theater Bern, Stadttheater Bern Mon 28. Dezember 2015, 15 und 19:30 h Sa 2. Januar 2016 um 15 h So 3. Januar 2016, 15 h So 10. Januar 2016, 8 h Mi 17. Februar 2016, 19:30 h

La Passion de Simone

© Ruth Walz
Nach den beiden eindrucksvollen Passionen von Bach hat Peter Sellars, Artist in Residence, nun Kaija Saariahos »La Passion de Simone« in Szene gesetzt. Die Passion zeichnet einen musikalischen »Kreuzweg« der Sozialrevolutionärin Simone Weil in 15 Stationen nach. Sellars inszeniert Weils Asketentum und ihre Suche nach Wahrheit weniger als Musiktheater denn als szenisch minimalistische Einrichtung. Julia Bullock charaktervoller Sopran bewegt sich natürlich durch die atmosphärischen Klangflächen des Oratoriums für Solosopran, Chor und Orchester. Die Vielschichtigkeit und Transzendenz eines nur 34jährigen Lebens sind in dem 75-Minuten-Werk eher musikalisch eingefangen, denn inszenatorisch. Der Abend weckt Interesse, sich mit der wichtigen politischen Aktivistin zu beschäftigen. Berliner Philharmoniker in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin Do 26. November 2015 um 20 Uhr

Orfeo

© JU / Ruhrtriennale
Susanne Kennedy, Suzan Boogaerdt und Bianca van der Schoot nennen ihre performative Installation eine Sterbeübung nach Claudio Monteverdi. Der Besucher bewegt sich in einer Versuchsanordnung und durchquert in abgezirkelten Zeitfenstern sieben beklemmende Räumen in denen man einem knappen Duzend Euridikes begegnet, alle maskiert mit dem gleichen »resting bitch face« und Blondie Perücke. Das Solistenensemble Kaleidoskop darf auf weiß getünchten Instrumenten Versatzstücke von Monteverdis Oper vorspielen, und auch wenn Hubert Wild einem den Orpheus singt, bleibt am Ende vor allem eines: die Sehnsucht nach Musik. Martin Gropius Bau, Berlin Mi 30.9.2015 bis So 4.10.2015, jeweils 10 bis 19 h

Bayreuther Festspiele

»Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme.« Richard Wagner

Giulio Cesare in Egitto

© Iko Freese / drama-berlin.de
Der Titel täuscht: Eigentlich ist Cleopatra die zentrale Figur von Händels arienreicher Oper und nicht Cäsar. An der Komischen Oper Berlin hat das Frauen-Regie-Team um Lydia Steier eine Inszenierung gesponnen, die die Königin von Ägypten als treibende Kraft zeigt – die taktiert und kalkuliert, umgarnt und sich verliebt. Selbständig, selbstbewusst und gleichberechtigt, wie es Frauen im antiken Ägypten waren. Die antike Handlung aber wurde verlegt in die musikalische Heimat der Oper: ins Barock. Gelage und Orgien zeichnet die Regisseurin mit wuchtigen Bildern in Sälen mit aufgebrochener Decke und blätternder Farbe. Das Barocke wird immer wieder kontrastiert mit zeitfremdem Kitsch, Abu Ghraib Folter, einem Römischen Streitwagen. Warum Tolomeos Harem, der aus lauter Cleopatras besteht, auf vergoldeten Thonet Stühlen tanzt, wüsste man gern. Präzise und zugleich weich macht Konrad Junghänel, als musikalischer Leiter, Händels Einfallsreichtum hörbar und sichtbar. Valentina Farcas strahlt als sinnliche Cleopatra. Statt eines Kastraten hören wir Bariton Dominik Köninger als männlich markanten Cäsar. Und so gelingt dem hauseigenen Ensemble musikalisch wie darstellerisch ein stellenweise schlüssiger Abend. Komische Oper Berlin Juni 2015: Do, 11., So, 14., Sa, 27. Juli 2015: Sa, 4., Do, 9. September 2015: Fr, 11., Sa, 19., Sa, 26. Oktober 2015: So, 4., Sa, 31.

Siegfried

© Tom Schulze
In Wagners musikalisch schwierigstem Stück brilliert das Gewandhausorchester Leipzig in Bestform. Den Mythos um den märchenhaften Held erzählt Rosamund Gilmore tänzerisch mit hübsch bewegten Farnen und Waldvögelein. Vieles im nibelungen’schen Deutungsgebirge gerät ihr zur Dekoration in Puppenstubenformat. So bleibt Siegfrieds zentrale Transformation vom Jüngling zum Manne in den Kinderschuhen stecken. Die Sehnsucht nach Liebe kauft man dem Helden in Latzhosen nicht ab. Es gibt aber auch Bilder, die glücken, weil sie den Handlungsfaden schlüssig und dicht zum Schicksalsfaden der Figuren verweben. Die berührendste Szene des Fünf-Stunden-Epos gelingt Nicole Piccolomini und John Lundgren als Erda und Wanderer. Wotan wendet sich wehmütig an Erda, schließlich ratlos singt er seiner Ex-Geliebten zum Abschied: »träumend erschau’ mein Ende!« Es schwant ihm die Götterdämmerung. Oper Leipzig So 24. Mai 2015 Sa 30. Mai 2015 So 21. Februar 2016 Sa 7. Mai 2016 Fr 1. Juli 2016 So 12. März 2017  um 15 h Sa 25. März 2017  Sa 1. Juli 2017 jeweils um 17 h
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