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schönes, erfreuliches
und bemerkenswertes


Der meistgelesene Kulturblog der Hauptstadt – mit Kurzkritiken zu Theater, Tanz, Performance, Oper, Kunst, Kino und Literatur: bemerkenswert, sehenswert, hörenswert.

The ultimate culture blog — reviewing theatre, dance, performance, opera, art, film and literature: most widely read and much valued. Find out what‘s on.

Walküre

© Bernd Uhlig

Ein Wolf, ein Flügel, Wotan in Unterhosen, Flüchtlinge als stummer Chor und das Ganze in einem Bühnenraum voll gepfercht mit alten Koffern. Dazwischen Nebel, schwebende Sieglinden, Saallicht, Hojotoho. Viel Trubel und wenig Zusammenhang hat das Regieteam um Stefan Herheim da auf die Bühne gestellt. Nach 30 Jahren ein brandneuer Ring (Premiere 27.9.2020), bei dem man zum Verständnis einen Beipackzettel braucht: und auch der macht aus den einzelnen Effekten leider kein Erzähltheater.

In diesem »Kofferraum« tummeln sich große Stimmen, die große Freude machen: Nina Stemme als Brünnhilde, Annika Schlicht als Fricka und Lise Davidsen als Sieglinde. Aber Stefan Herheim schafft es nicht diesen Frauenfiguren neuen Raum zu verschaffen oder den Walküren zu neuen Höhen zu verhelfen. Sie müssen sich mit Untoten herumschlagen und sich vergewaltigen lassen.

Der Göttervater Wotan, gesungen von John Lundgren, schwebt bei Zeiten über allem und auch hier scheint die Regie den zarten Momenten im Weg zu stehen. Das Lebewohl weiß Lundgren beileibe so zu singen, dass man schmilzt – das hat er in Bayreuth und auf den großen Opernbühnen bewiesen. Es wäre als fehlte nicht nur an dieser Stelle die Ruhe und der Raum für die Musik und die Worte.

Ein neuer Ring, ein neues Ding. Große Erwartungen. Bravos und Buhs im tosenden Schlussapplaus.

Deutsche Oper Berlin
So 4. Oktober 2020 um 16 h
Do 8. Oktober 2020 um 17 h
So 11. Oktober 2020 um 16 h
Fr 13. November 2020 um 17 h
So 15. November 2020 um 16 h

2.10.2020

Judith/Herzog Blaubarts Burg

© Wilfried Hösl
Das Dunkle. Sie bringt es ans Licht: Judith, die Ermittlerin, und Katie Mitchell, die Regisseurin. Das dunkle Geheimnis des Herzog Blaubart, der Mann, durch dessen Unterbewusstsein das Psychodrama führt. Ein Mann, der durch stetiges Bitten Judiths Tür um Türe öffnet. Herausgekommen ist ein fabelhafter Doppelabend mit Musik von Béla Bartók. Bei dem geht es weit ruhiger zu auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper, als man das von Katie Mitchell kennt: Die Film-Ouvertüre entsteht nicht live, sie wurde vorproduziert. Auch der zweite Teil ohne Kameras; eine naturalistische Märchenerzählung, albtraumhaft mit melodramatischem Ende. Mitchell schafft jedoch etwas von ihrer typischen Erzählweise formell umzusetzen: Die Szenen ziehen praktisch am Publikum vorbei. Sieben Räume mit den sieben Türen bewegen sich von rechts nach links als würde man einen Filmstreifen gegen das Licht halten. Damit bringt die Regisseurin den Symbolismus der Blaubart Sage kongenial mit dem Impressionistischen von Béla Bartóks Musik zusammen: Meine Erinnerungen sehen mich. Der Abend ist ein Sieg der Frauen, auch wenn es zu Beginn noch nicht so aussieht. Am Pult leuchtet Oksana Lyniv, Nina Stemme als Judith, die Blaubart führt ohne dass er das merkt. Damit gelingt Judith die Opfer-Täter-Umkehr, die Mitchell inszeniert. Der Abend erzählt aber auch von Paardynamik, Liebe als Ware und der Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen. Die Bayerische Staatsoper hat mit Nina Stemme (Judith) und John Lundgren (Blaubart) zwei Weltstars für Bartóks einzige Oper gewonnen. Die beiden singen oft zusammen und bringen, neben den stimmlichen Dimensionen, besonders eine darstellerische Tiefe in die Handlung, die sie zu einer eine Idealbesetzung macht. Die Münchner goutierten das mit langem Applaus. Bayerische Staatsoper München So 9. Februar 2020 um 18 h Do 13 Februar 2020 um 19 h So 16. Februar 2020 um 18 h Sa 27. Juni 2020 um 18 h Mo 29. Juni 2020 um 19 h

Grüß mir den Mond!

© Katharina John
Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys führen uns mit Ihrem neuen Programm durch die Nacht – es beginnt mit Wolfgang Borcherts Laternentraum: »Wenn ich tot bin, möchte ich immerhin so eine Laterne sein …«. Ulrich Tukur spricht so vertraut aus dem Bühnendunkel, als säße er neben einem auf der Bettkante. Und dann dreht das Quartett auf: mit Spielfreude, Eleganz, Witz, Swingmusik und deutschen Chansons aus den 1920 und 30er Jahren. Die Klassiker »Moonlight Serenade«, »Moonglow«, »Night and Day« unterbricht Ulrich Tukur mit abstrusen Geschichten über seine alten Freunde Cole Porter, Benny Goodman, Glenn Miller und Neil Amstrong (ja, den auch). In der zweiten Hälfte tauschen sie die tadellosen Anzüge gegen Pyjamas ein: Ulrich Mayer, Günter Märtens, und Kalle Mews geben zusammen mit dem Schauspieler Ulrich Tukur die Klang- und Schwingungserzeuger, dazwischen Gedichte und Geschichten, die sich bisweilen in mondähnliche Höhen versteigen. Es kommen allerlei Beerdigungen und Caravanen vor und so lernen wir, dass »Dream a little dream of me« schon 1931 geschrieben wurde oder die BVG in »Mit der letzten Straßenbahn« von 1943 vorkommt. An Musikalität und Unterhaltung ist die Reise zum Mond nicht zu überbieten. So schwingt und klingt der Abend aus: tosender Applaus. An Schlaf ist nicht zu denken. Theater am Kurfürstendamm, Berlin So 18.2.18 um 19 h Mo 19.2.18 um 20 h Scharoun Theater, Wolfsburg Do 22. Februar 2018 um 19:30 h Schauspielhaus Bochum Fr 23.2.18 Bochum, Schauspielhaus Weitere Termine: 24.2.18 Leverkusen, Erholungshaus 25.2.18 Leverkusen, Erholungshaus 27.2.18 Oberhausen, Ebertbad 28.2.18 Oberhausen, Ebertbad 01.3.18 Dortmund, Konzerthaus 02.3.18 Bielefeld, Oetkerhalle 03.3.18 Hannover, Theater am Aegi 04.3.18 Hannover, Theater am Aegi 05.3. Nürnberg, Theater 07.3.18 München, Prinzregententheater 09.3.18 Freiburg, Theater 10.3.18 Friedrichshafen,Graf Zeppelin Haus 11.3.18 Heidelberg, Historische Stadthalle 12.3.18 Frankfurt, Alte Oper 13.3.18 Stuttgart, Theaterhaus 15.3.18 Karlsruhe, Tollhaus 16.3.18 Erfurt, Alte Oper 17.3.18 Dresden, Kulturpalast 18.3.18 Leipzig, Gewandhaus 19.3.18 Hamburg, Laeiszhalle 20.3.18 Hamburg, Laeiszhalle

Kreatur

© Sebastian Bolesch
Ein Klang-, Licht-, Kostüm- und Bewegungsteppich vom Feinsten. Anderthalb Stunden lang breiten Sasha Waltz und ihre vierzehn Tänzer ein Perfektionssektakel auf der Bühne aus, das ästhetischer kaum sein könnte. Die Kostüme entstammen gleichsam einem Bauhaus des 21. Jahrhunderts und illustrieren, wie schöne Hüllen manchmal nur schöne Geräusche produzieren – ohne etwa zu erzählen. Es gibt die Waltz’schen Körperansammlungen, -entblößungen, -verknotungen, dazu Verzerrfolien, Pusteblumenoutfits, einen Balken, eine Treppe. Es tut sich viel, manchmal auch unisono, allein die Wildheit der Kreaturen hält sich in klar definierten Grenzen. Kontrolle dominiert. Ausbrüche oder Überraschungen fehlen. Vielleicht hätte der Abend als begehbare Installation in seiner Breite gut funktioniert, die Verdichtung des Stoffes zu einem Bühnenstück hätte man sich weit deutlicher gewünscht. Jubelrufe und Buhs.
Tanz im August, Haus der Berliner Festspiele Do 24. August 2017 um 21 h Radialsystem Berlin Mi 20. Dezember 2017 Do 21. Dezember 2017 Fr. 22. Dezember 2017 Mi 27. Dezember 2017 Do 28. Dezember 2017 Fr 29. Dezember 2017 jeweils um 20 h

David Bowie

»Tomorrow belongs to those who can hear it coming.«

Lohengrin

© Marcus Lieberenz
Klaus Florian Vogt ist Lohengrin. Und seiner nicht einordenbaren gleichsam überirdischen Stimme kann man stundenlang zuhören. Er kommt als Gottgesandter, gestehst Elsa nach zwei Minuten seine Liebe, und stellt dazu gleich eine klare Bedingung: »Nie sollst du mich befragen …« – und damit eines der berühmtesten Leitmotive der Oper vor. Der mythische Retter mit Engelsflügeln findet in John Lundgren, als Friedrich von Telramund, einen starken Gegenspieler, dem stimmlich wie darstellerisch ein vielschichtiger und packender Zugriff gelingt. Es lohnt also die Besetzungsliste zu studieren. Kasper Holten will die politische Dimension des Stückes erzählen: Der Gerichtskampf ist auch ein Kampf um die Fürstenwürde von Brabant. Dafür hat er einige klare Bilder gefunden. Eine sehenswerte Inszenierung, die immer wieder mit Starbesetzungen aufwartet. Deutsche Oper Berlin So 5. Februar 2017 um 16 h

Salome

© Monika Rittershaus
Nicht gerade eine schöne Geschichte, die Oscar Wilde dramatisierte und Richard Strauss vertonte. Beide fasziniert von der christlich-mythologische Frauengestalt, die fortan weibliche Grausamkeit und erotische Schönheit zugleich verkörperte. Claus Guth findet eine schlüssige Inszenierung für Strauss’ rauschhafte Musik und die scheinbar unerklärliche Grausamkeit der Salome. Aus dem Tanz der sieben Schleier macht er eine Rückschau in die Kindheit der Hauptfigur, so dass am Ende sieben Salomes über die Bühne tanzen. Der 90 Minuten Abend ist auch stimmlich hochkarätig besetzt: Allison Oakes dramatisiert kongenial diese Zerrissenheit der Figur, der Gewalt angetan wurde und die am Ende Gewalt antut. Ein hörenswerter Abend. Deutsche Oper Berlin Fr 13.01.2017 um 20 h

Schönheit

»I came so far for beauty I left so much behind.«
Leonhard Cohen

Lohengrin

© Mats Bäcker
Eine Feder fällt vom Himmel: Elsa entgegen. Nicola Raab inszeniert den sagenhaften Stoff des Lohengrin atmosphärisch dicht und beweist einmal mehr, dass sie zu den Geschichtenerzählern unter den Regisseure gehört. Im kongenialen Zusammenspiel von Story-Telling, Bühnenbild, Kostüm- und Licht Design entsteht ein klarer und vielschichtiger Opernabend, ein Abend der großen Bilder – und leisen Töne. Gemeinsam mit Lohengrin, hofft man, könnte man die Begrenztheit des Menschseins überwinden: mit der großen Liebe. Die fein ausgearbeiteten Charaktere der Figuren legen die transzendenten Aspekte der Geschichte frei: überragend singend und spielend Steven Humes als Heinrich. Unter der musikalischen Leitung von Alexander Vedernikov erlebt man höchsten Hörgenuss. Ein großer Wurf. Oper Kopenhagen Do 28. Januar 2016 So 31. Januar 2016 So 7. Februar 2016 Fr 12. Februar 2016 Di 1. März 2016 So 6. März 2016 Mi 9. März 2016 So 13. März 2016

David Bowie

»I don’t know where I’m going from here, but I promise it won’t be boring.«

Mein Mali

© Mirjam Knickriem
Musik, Klänge, Geräusche und Atmosphären als wäre man in Mali. Die Hörspielfassung von »Mein Mali« bringt mit Stimmung und Dichte das echte Leben in Mali ganz nah heran. Lou Rodrian spricht Ombo, ein Mädchen aus dem Dorf Nombo in Westafrika, das gerne wieder zur Schule gehen möchte. Wäre das Dach ihres Klassenzimmers nicht bei einem Unwetter zerstört worden, würde sie das auch. Aber jetzt muss sie sich erstmal auf eine Reise begeben. Gemeinsam mit ihren Eltern überquert sie den Niger und begegnet Tuareg und kommt schließlich in Timbuktu an. Ein lehrreiches Stück Kinderliteratur von Mirjam Knickriem mit Musik von fischer, alias Jens Fischer. Auch die übrigen Rollen sind hochkarätig besetzt: Katja Riemann, Barbara Auer und Sebastian Blomberg lesen. 6 Euro von jeder verkauften CD gehen als Spende an die Welthungerhilfe für mobile Schulen in Mali. Das perfekte Weihnachtsgeschenk.

La Passion de Simone

© Ruth Walz
Nach den beiden eindrucksvollen Passionen von Bach hat Peter Sellars, Artist in Residence, nun Kaija Saariahos »La Passion de Simone« in Szene gesetzt. Die Passion zeichnet einen musikalischen »Kreuzweg« der Sozialrevolutionärin Simone Weil in 15 Stationen nach. Sellars inszeniert Weils Asketentum und ihre Suche nach Wahrheit weniger als Musiktheater denn als szenisch minimalistische Einrichtung. Julia Bullock charaktervoller Sopran bewegt sich natürlich durch die atmosphärischen Klangflächen des Oratoriums für Solosopran, Chor und Orchester. Die Vielschichtigkeit und Transzendenz eines nur 34jährigen Lebens sind in dem 75-Minuten-Werk eher musikalisch eingefangen, denn inszenatorisch. Der Abend weckt Interesse, sich mit der wichtigen politischen Aktivistin zu beschäftigen. Berliner Philharmoniker in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin Do 26. November 2015 um 20 Uhr

Orfeo

© JU / Ruhrtriennale
Susanne Kennedy, Suzan Boogaerdt und Bianca van der Schoot nennen ihre performative Installation eine Sterbeübung nach Claudio Monteverdi. Der Besucher bewegt sich in einer Versuchsanordnung und durchquert in abgezirkelten Zeitfenstern sieben beklemmende Räumen in denen man einem knappen Duzend Euridikes begegnet, alle maskiert mit dem gleichen »resting bitch face« und Blondie Perücke. Das Solistenensemble Kaleidoskop darf auf weiß getünchten Instrumenten Versatzstücke von Monteverdis Oper vorspielen, und auch wenn Hubert Wild einem den Orpheus singt, bleibt am Ende vor allem eines: die Sehnsucht nach Musik. Martin Gropius Bau, Berlin Mi 30.9.2015 bis So 4.10.2015, jeweils 10 bis 19 h

Westöstlicher Divan

© Luis Castilla
In der Musik sind alle gleich. Das West-Eastern Divan Orchestra bringt 105 junge arabische und israelische Musiker zusammen und trotz damit den politischen Gräben im Mittleren Osten: ein Statement für ein friedliches Zusammenleben der Völker. Es gibt jetzt auch syrische Flüchtlinge im Orchester. Daniel Barenboim setzt politische Zeichen, sieht aber in seinem Projekt vor allem eine Schule des aufeinander Hörens. Dem spritzigen jungen Orchesterklang hört man das gegenseitige Zuhören an. Nach drei Konzerten bei den Salzburger Festspielen kommt das Orchester nach Berlin, wo 22.000 Zuhörer in der Waldbühne in Berlin erwartet werden. Es gibt Werke von Pierre Boulez, Richard Wagner, Béla Bartók, Piotr Tchaikovsky und Arnold Schönberg. Waldbühnenkonzert 2015, Berlin Sa 15. August 2015 Es gibt noch Karten. Lucerne Festival, Luzern So 16 Aug 2015 Mo 17. August 2015 Royal Albert Hall, London Di 18. August 2015

Siegfried

© Tom Schulze
In Wagners musikalisch schwierigstem Stück brilliert das Gewandhausorchester Leipzig in Bestform. Den Mythos um den märchenhaften Held erzählt Rosamund Gilmore tänzerisch mit hübsch bewegten Farnen und Waldvögelein. Vieles im nibelungen’schen Deutungsgebirge gerät ihr zur Dekoration in Puppenstubenformat. So bleibt Siegfrieds zentrale Transformation vom Jüngling zum Manne in den Kinderschuhen stecken. Die Sehnsucht nach Liebe kauft man dem Helden in Latzhosen nicht ab. Es gibt aber auch Bilder, die glücken, weil sie den Handlungsfaden schlüssig und dicht zum Schicksalsfaden der Figuren verweben. Die berührendste Szene des Fünf-Stunden-Epos gelingt Nicole Piccolomini und John Lundgren als Erda und Wanderer. Wotan wendet sich wehmütig an Erda, schließlich ratlos singt er seiner Ex-Geliebten zum Abschied: »träumend erschau’ mein Ende!« Es schwant ihm die Götterdämmerung. Oper Leipzig So 24. Mai 2015 Sa 30. Mai 2015 So 21. Februar 2016 Sa 7. Mai 2016 Fr 1. Juli 2016 So 12. März 2017  um 15 h Sa 25. März 2017  Sa 1. Juli 2017 jeweils um 17 h

Ecce Ekzem Homo

© Andrea Huber
Atmosphärisch bringen die Well Buben aus dem Biermoss den Abend zum klingen und die Zuschauer zum singen. Und mitten drin: Gerhard Polt. Der Monolith. Geschliffen scharf und ausschweifend klug. Verhandelt wird der Wert des Menschen und die Menschlichkeit, Unmenschlich- und Unmöglichkeit der Nachbarschaft – im Besonderen mit Herrn Merki. Vom Lampedusa-Flüchling bis zum korrupten Landrat kommt alles vor: singend, jodelnd und schuhplattelnd in der Reihenhaussiedlung. Texte vom Feinsten, Musik von Hand gemacht und eine Spielfreude, die ansteckt. Der Abend tut den Kammerspielen sichtlich gut, nicht nur weil er zu 100% ausverkauft ist. Die meisten Zuschauer sitzen die zweieinhalb Stunden mit einem Dauergrinsen im Saal. So viel Spaß hat das Haus selten erlebt und wenn man für den Kult-Abend Karten haben will, muss man früh aufstehen und bereit sein dafür Schlange zu stehen. Aber, soviel sei verraten: eine Mühe, die sich lohnt. Münchner Kammerspiele Restkarten an der Abendkasse: Fr. 10. April 2015 So. 12. April Mi. 15. April Sa. 25. April Im Vorverkauf ab 16.4.: Sa. 09. Mai 2015 So. 10. Mai 2015 Mo. 18. Mai 2015 So. 24. Mai 2015

A Flowering Tree

© Mats Bäcker
Die zeitgenössische Oper von John Adams erlebte gerade ihre blühende Skandinavien Premiere. Mit opulenter Reduziertheit und traumwandlerischer Unmittelbarkeit inszeniert Nicola Raab das indische Märchen zu einem Gesamtkunstwerk. Vom ersten Moment entfaltet sich der Abend mit großer Selbstverständlichkeit als Musik-Tanz-Theater in grandiosen Bildern. Die Liebesgeschichte, die mit ihren Prüfungen an die Zauberflöte erinnert, wird von nur drei Sängern erzählt und berührt in ihrer Einfachheit. Ein unspektakuläres Spektakel höchster Klangkunst. Stehende Ovationen bei der Premiere. Und eine Reise nach Göteborg wert. Göteborgs Operan So. 15. Februar 2015 Fr. 20. Februar 2015 So. 1. März 2015 Do. 5. März 2015 So. 15. März 2015 Mit. 18. März 2015 Sa. 21. März 2015 Sa. 28. März 2015

Bach/Passion/Johannes

© Benoîte Fanton
Simon Rattle nannte den Kreuzige Chorus das »Sacre du Printemps« des 18. Jahrhunderts. Auch der Anfang von Bachs Johannes Passion ist alles andere als melodische Musik. Aber Laurent Chétouane fängt nich an, wo es anfängt. Der Abend beginnt mit den Tod Jesu. Die Johannes Passion ist ein Stück für Sucher und so wandert ein Kollektiv aus vier Tänzern, einer Sängerin und sieben singenden Instrumentalisten barfüßig durch die Passion. Aus dem musikalischen Dickicht Bachs destillieren sie einen kargen Klang. Mit dieser Freilegung gelingt ihnen aber nicht immer eine Offenbarung: zu oft verschwimmt das Zarte zur Unhörbarkeit. Bachs gewaltige musikalische Bilder gehen flöten. Das Offene bei Bach ist der Moment des Todes, der nicht zu beweinen ist, sondern zu ergreifen: der Anfang einer nie gekannten Freiheit. Dieser Offenheit will uns die Inszenierung näherbringen: »Es ist vollbracht«. Aber dort endet der Abend nicht. Auch das Ewigkeitsgefühl will ausgehalten sein. Oktober, Kampnagel, Hamburg Do, 2.10.2014 Fr, 3.10.2014 Sa, 3.10.2014 jeweils 20 h November, HAU Hebbel am Ufer Berlin 8./ 9. und 11.11.2014 Dezember, Tanzhaus NRW Düsseldorf 13. und 14.12.2104 Januar, Tanzquartier Wien 16 und 17.1.2015 Mai, Le Maillon Pôle Sud, Strasbourg 28 und 29.5.2015 Juni, Rencontres chorégraphiques internationales de Seine-Saint-Denis / Paris 12. und 13.6.2015

Sketches/Notebook

© Iris Janke
Als Zuschauer betritt man den »Werk-Raum« und ist in diesem Moment kein Zuschauender mehr: Man wird eingesogen in eine Echtzeitversuchsanordnung, in der wirklich etwas versucht wird. Wir sehen Bewegung und Bewegtheiten, Hingeworfenes und sich Hineinwerfendes. Meg Stuarts Spieler setzen sich der Rauheit der Unvollendetheit aus und bewahren sich und uns die Offenheit dem Entstehen zu lauschen. Die Töne, die dabei zu Tage treten sind das Beglückendste und Lebendigste, was man seit langem gesehen hat. Ob das in den sehr viel größeren Raum des HAU 2 transferiert werden kann ohne die Intimität zu verlieren, wird sich zeigen. HAU 2, Hebbel am Ufer, Berlin Mi bis Sa 1.–4.Oktober 2014 »Sketches/Notebook«

Orchesterkaraoke

© David Bergé
Es wird das umjubelte Finale des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel in Hamburg werden. Soviel ist klar. Matthias von Hartz’ poppiges Mitsingformat wird im achten Jahr gegeben und ist kein bisschen langweilig: handgemacht, selbstgesungen und ziemlich un-plugged. Jan Dvorak dirigiert die Jungen Symphoniker Hamburg und dazu dürfen Zuschauer singen. Wie es sich bei Karaoke gehört wird der Gesang per Mikrophon verstärkt, sonst könnte nicht einmal die Netrebko gegen die 100 Musikerinnen und Musiker des ausgewachsenen Sinfonieorchesters ansingen. Bis Sonntag werden auch die Stehkarten restlos ausverkauft sein und der Saal wird kochen, egal ob Beatles, Bowie, Gaga oder Ganster-Rap auf dem Programm steht. Orchesterkaraoke ist Kult. Für alle Vorstellungen gibt es noch Restkarten. So 24.08.2014 um 17 h, Kampnagel – K6, Hamburg So 24.08.2014 um 20 h, Kampnagel – K6, Hamburg

Bowie verlängert

© David Bergé
»I don't know where I'm going from here, but I promise it won't be boring,« sagte Bowie mal. Die Retrospektive ist alles andere als »boring« und ist nun verlängert (bei dem Run hätte man gehofft, länger als zwei Wochen). Die Ausstellung läd den Besucher ein in David Bowies Welt zu tauchen – mit allen Sinnen erlebt man ihn als Stilikone, musikalischen Wegbereiter und Avantgarde-Bühnenkünstler und kann erforschen, welche Ereignisse ihn beeinflusst haben und wie er wiederum auf Film, Theater Design und Musik wirkte. Sein britischer Humor leuchtet immer wieder auf, wie in seinen provokanten trans-gender Surfs. Als Erweiterung zur Schau aus dem Victoria and Albert Museum gibt es eine Abteilung »Bowie in Berlin«, mit Gemälden, Bildern und der Musik, die von 1976 bis 1978 entstanden. Als Ausstellungsvorbereitung gibt es hier eine Stunde Musik, die Bowie in Berlin komponiert und aufgenommen hat. Seiner Musik wollte Bowie eine zusätzliche Dimension geben. Das ist ihm fraglos gelungen. Und den Ausstellungsmachern, diese einzufangen. Täglich von 10:00 – 20:00 h Martin-Gropius-Bau, Berlin Bis 24. August 2014

Groninger Museum, Groningen Noch bis 13. März 2016

Jederzeit Jedermann

© Wolfgang Kirchner
Philipp Hochmair ist all in one: Protagonist, Buhlschaft, Schuldknecht und untreuer Getreuer. Er spielt an der Kante der Bühne, wirft sich in die Figuren und wirft uns die Figuren vor die Füße – und das mit einer Intensität, dass einem Hören und Sehen vergeht. Nur die elfenhaften Töne von Simonne Jones untermalen manchmal die Fallhöhe. Ein Teufelsritt mit großer Geste, der dabei differenziert und genau den Fragen des Lebens nachgeht, ein Rock-Konzert ganz und gar auf der Suche nach dem Ende der Endlichkeit. Am Thalia Theater Hamburg: Sa. 19.04.2014 um 20 h Mo. 09.06.2014 um 19 h So. 29.06.2014 um 14 h

Tauber Bach

© Julian Röder, Ju/Ostkreuz
Alain Platel ist zurück in Berlin. Diesmal gleichsam als Preview zum Theatertreffen 2014. Sein neustes Stück »tauberbach« tänzelt am Rande der Existenz genau vor diesem Abgrund herum. Dazu hört man Bach, gesungen von Gehörlosen. Platels Glück sind seine Tänzer vom Ballets C de la B: Tiere, Wesen, Expressionen in urwüchsigem Gesten, finden sie eine Gebärdensprache für den Gesang der Gehörlosen. Kitsch inklusive. 4. bis 6. März 2014, jeweils 20 h im HAU 1

4.03.2014

Am Strand mit Einstein

© Lucie Jansch
»Einstein on the Beach« von Philip Glass und Robert Wilson schrieb einst Avantgarde-Geschichte. Jetzt wird im Haus der Berliner Festspiele die Uraufführungsinszenierung der Minimal Music Oper von 1976 rekonstruiert. Das Fünf-Stunden-Epos gilt als eines der ersten Kunstwerk des digitalen Zeitalters – nur zusammengesetzt aus Musik, Bild, Bewegung, Zeit. Die Variantenarmut der Musik entwickelt zusammen mit Stilisierung (Inszenierung: Robert Wilson) und Dynamik (Choreographie: Lucinda Childs) einen flirrenden Sog, der unabwendbar in stehenden Ovationen endet. Haus der Berliner Festspiele: 3. März 2014, 18.30 Uhr 5. März 2014, 18.30 Uhr 6. März 2014, 18.30 Uhr 7. März 2014, 18.30 Uhr Restkarten an der Abendkasse

M!M – getanzte Freundschaft

© Oliver FantischSinn entsteht durch Zusammenhang, durch Beziehung. Diesem Entstehen lauscht man, wenn man Matthieu Burner und Mikael Marklund zusieht, wie sie ihre Beziehung zum Raum, zur Umgebung und zu einander erforschen. Begleitet von Beethovens Violin Konzert entfaltet sich dabei ein Tanz, der eine neue Sprache findet, weil die Vokabeln anders ausgesprochen werden als im konventionellen Tanz. Laurent Chétouane hatte den Auftrag zum 50. Geburtstag des deutsch-französichen Freundschaftsvertrages eine Choreografie zu entwickeln: »Wir sollten wieder wagen, eine Utopie in den Raum zu stellen, die Frage nach dem Wir,« sagt Chétouane. Zu sehen ist der schwerelose Einstünder am 23. Mai 2013 — Festival Perspectives, Saarbrücken 7. und 8. Juni 2013 — Kanagawa ArtsTheatre, Yokohama, Japan 19. Juni 2013 — ParisArt, June Events, Paris 10. und 11. Oktober 2013 — Theater Bremen

20.05.2013

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